Interview mit Dr. med. Anja Miesel, Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Universität zu Lübeck
Mit welchen Kopfhautproblemen kommen die meisten Patienten zu Ihnen in die Haarsprechstunde?
Die meisten Patienten klagen über Haarausfall, der verschiedene Verteilungsmuster zeigen kann, z.B. diffus oder fleckförmig. Ursachen sind beispielsweise entzündliche Erkrankungen, auch autoimmunologischer Genese, Fehlernährung mit Eisen- oder Ferritinmangel und natürlich auch erblich-hormonell bedingt. Häufig wird Haarausfall von Symptomen wie Schuppenbildung, Juckreiz, Spannungsgefühl oder auch Schmerzen im Bereich der Haarwurzeln (Trichodynie) begleitet. Derartige Symptome treten vor allem im Rahmen eines Exsikkationsekzems (Austrocknungsekzem) auf, welches häufig als Folge von Pflegefehlern entsteht. Spezielle Shampoos können hier Abhilfe schaffen und die Kopfhaut wieder ins Gleichgewicht bringen. Andere Ursachen für Juckreiz stellen das atopische Kopfhautekzem, das seborrhoische Ekzem oder in seltenen Fällen auch toxische Kontaktreaktionen oder Allergien dar. Bei Verdacht auf eine Allergie, z.B. auf Haarfärbemittel, kann in unserer Klinik ein Epikutantest zur Abklärung erfolgen. Wird keine Ursache für Juckreiz oder Spannungsgefühl gefunden, spricht man von „Pruritus sine materia“.
Wie viel Prozent der Haarprobleme, über die Patienten klagen, gehen in Wirklichkeit auf Kopfhautprobleme zurück?
Symptome wie Juckreiz, Kribbeln oder Spannen sind meist Begleiterscheinungen einer Entzündung oder Austrocknung der Kopfhaut. Hier liegt eine verminderte Talgsekretion zugrunde, welche zu trockenen, spröden Haaren und trockener, schuppiger Kopfhaut führt. Eine andere Ursache kann die Haarwäsche mit stark austrocknenden Shampoos sein, v.a. wenn der Betreffende selbst zu trockener Kopfhaut im Rahmen einer atopischen Veranlagung neigt. Haarausfall wird nur in Ausnahmefällen durch Erkrankungen der Kopfhaut bedingt, so z.B. beim atopischen Kopfhautekzem oder der Psoriasis capitis (Schuppenflechte).
Wie unterscheidet sich die Kopfhaut von der übrigen Körperhaut?
Die Kopfhaut ist deutlich dicker und derber als die Haut des übrigen Körpers und wird deshalb auch als „Kopfhautschwarte“ bezeichnet. Talg- und Schweißdrüsen sowie Haarfollikel stehen mit ca. 100.000 pro Kopf deutlich dichter als an der restlichen Haut. Gerade im Sommer kommt es zu einer vermehrten Schweißneigung in diesem Bereich. All diese Faktoren bedingen ein feucht-warmes Mikroklima, welches einen perfekten Nährboden für Bakterien und Pilze bietet. Darüber hinaus stellen die zahlreichen Haarfollikel eine Art Eintrittspforte dar, so dass aufgetragene Stoffe sehr gut in die Haut eindringen können. Die Pflege dieses Körperbereiches ist also besonders wichtig, gleichzeitig aber auch besonders schwierig, denn die dicht stehenden Haare stellen eine Herausforderung für die Verteilbarkeit und Auswaschbarkeit eines Shampoos dar. Dieses sollte eine gute Fettlöskraft besitzen, aber gleichzeitig nicht austrocknen.
Nehmen Kopfhautprobleme zu? Wenn ja, warum?
Stresszustände in Alltag und Beruf nehmen in unserer schnelllebigen Zeit zu. Überempfindlichkeiten und Allergien, die mit dem atopischen Ekzem einhergehen, treten häufiger auf, so dass in diesem Zusammenhang auch eine Zunahme der Kopfhautprobleme denkbar ist. Die Kopfhaut reagiert besonders empfindlich, so dass häufig Symptome wie Juckreiz isoliert an der Kopfhaut auftreten.
Weshalb ist es so schwierig, Kopfhautprobleme in den Griff zu bekommen?
Das Auftragen und Verteilen von Pflegeprodukten ist auf der Kopfhaut aufgrund der hohen Dichte von Terminalhaaren besonders schwierig. Auf die übrige Körperhaut tragen wir bei Irritation, Trockenheit oder Erkrankungen Cremes oder Salben mit hohem Fettgehalt, rehydratisierenden Inhaltsstoffen oder einem medizinischen Wirkstoff auf. Auf der Kopfhaut ist dies auch aus kosmetischen Gründen nicht möglich, da die Haare nicht fettig erscheinen sollen. Stattdessen werden meist Shampoos angewendet, die aber mit durchschnittlich 30 Sekunden eine viel zu kurze Kontaktzeit mit der Haut haben (sogenannte „Rinse-off“-Produkte), um ihre Wirkung entfalten zu können. „Leave-on“-Produkte wie z.B. Haartonics verbleiben dagegen auf der Kopfhaut und werden nicht ausgespült, so dass die Kontaktzeit wesentlich länger ist und Wirkstoffe somit besser in die Haut penetrieren können.
Wie viel Prozent der Kopfhautprobleme sind anlagebedingt und wie viel Prozent gehen auf Pflegefehler zurück?
Anlagebedingte Kopfhauterkrankungen stellen z.B. das atopische Ekzem oder die Psoriasis capitis (Schuppenflechte) dar. Etwa ein Drittel der Patienten unserer Haarsprechstunde leiden an konstitutionell trockener Kopfhaut, die unter anderem auch durch die oben genannten Erkrankungen bedingt wird.
Welche Pflegefehler können hinter gereizter, trockener, irritierter Kopfhaut stecken?
Die Verwendung eines für den Hauttyp nicht geeigneten Shampoos stellt eine häufige Ursache dar. Inhaltsstoffe wie Emulgatoren, Alkohol, fettbindende bzw. fettlösende Substanzen sowie allergene und irritative Stoffe können stark austrocknend wirken. Bei sehr trockener Kopfhaut kann das Waschen der Haare nur jeden zweiten Tag vor Austrocknung schützen.
Wie solle man Shampoos anwenden, damit sie ihre Wirkung voll entfalten können?
Wird ein Shampoo mit einem Wirkstoff verwendet (sogenanntes Wirkshampoo), sollte eine Einwirkzeit von 2 Minuten eingehalten werden, damit es seine Wirkung entfalten kann. In dieser Zeit kann man z.B. gut den Rest des Körpers einseifen. Waschshampoos ohne Wirkstoff sollen dagegen lediglich Haar und Kopfhaut reinigen und können darum sofort ausgespült werden. Bei beiden Shampoos sollte auf gutes Auswaschen mit ausreichend, nicht zu heißem Wasser geachtet werden. Manchmal werden Wirkshampoos zu häufig und auch nach eingetretener Wirkung weiterhin angewendet, so dass die Wirkung möglicherweise über das Ziel hinaus schießt und es dann zu Nebenwirkungen kommt. Empfehlenswert ist hier eine sequenzielle Anwendung.
Ihre Tipps für gesunde Kopfhaut
Haarreinigungs- und –pflegeprodukte sollten nicht zu häufig gewechselt werden. Wichtig ist, ein adäquates Haarpflegeprodukt zu finden und dann dabei zu bleiben. Hierbei kann der Friseur behilflich sein oder in schwierigen Fällen der dermatologische Haarexperte konsultiert werden. Auch die Ernährung kann eine Rolle spielen. So sollten vor allem Frauen auf eine eisenreiche Ernährung achten, um einem Eisen- oder Ferritinmangel vorzubeugen.